
„Game over“ oder „Game on“? Bildschirmzeit und psychische Gesundheit von Kindern
„Kinder brauchen keine Bildschirme –Eltern sollten sie einfach wegwerfen!“
Hat Ihnen schon einmal jemand so etwas gesagt? Haben Sie selbst schon einmal so etwas gedacht?
Eltern im digitalen Zeitalter zu sein, ist eine Herausforderung, auf die wir uns vielleicht nicht immer vorbereitet fühlen. Wenn Sie sich nicht dafür entschieden haben, abseits der Gesellschaft zu leben, sind digitale Geräte Teil der Welt unserer Kinder. Hinzu kommt, dass jeder, von den Medien bis hin zu unseren Nachbarn und Freunden, eine Meinung darüber zu haben scheint, wie viel Zeit Kinder vor dem Bildschirm verbringen sollten. Diese Ansichten gehen weit auseinander und sind in der Regel nicht positiv, was dazu führt, dass Bildschirmgeräte einen schlechten Ruf haben.
Es ist sinnvoll, mit unseren Kindern und Geräten umsichtig umzugehen, da übermäßige Bildschirmzeit mit körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen bei Kindern und Jugendlichen in Verbindung gebracht wird.1,2 Ganz zu schweigen von den Online-Sicherheitsrisiken, die mit der Nutzung von Bildschirmen einhergehen können, sowie von Problemen wie Cybermobbing in sozialen Medien.
Die Herausforderung besteht darin, dass es in der Regel nicht so einfach ist, Bildschirme einfach auszuschalten. Für einige Familien kann es sehr gut funktionieren, auf Bildschirme zu verzichten, aber für viele ist dies keine Option. Geräte werden in Schulen oft als Lehrmittel eingesetzt und Telefone können für die Kommunikation benötigt werden. Wir nutzen sie zuhause, für die Arbeit oder aus persönlichen Gründen. Kinder sind also von ihnen umgeben. Wenn es uns jedoch gelingt, einen ausgewogenen und sinnvollen Umgang mit elektronischen Geräten in unseren Haushalten zu schaffen, kann dies positive Auswirkungen auf die Bildung und die sozialen Kontakte unserer Kinder haben. Sie können auch einfach nur Spaß machen, bei all dem Stress im Leben.2 Das bedeutet aber nicht, dass es keine Grenzen geben sollte, insbesondere für kleine Kinder.
Bildschirmstress und Schuldgefühle können bei Eltern weit verbreitet sein
Aus dem „Parenting Survey“ von Triple P aus dem letzten Jahr wissen wir, dass sich viele Eltern und Bezugspersonen Sorgen über die Bildschirmnutzung ihrer Kinder machen und sich mehr Anleitung zum Umgang damit wünschen. Es ist für viele normal, sich schuldig zu fühlen, wenn man seinen Kindern die Nutzung von Bildschirmen erlaubt. Dieses Schuldgefühl ist aber auch nicht gut für ihre Entwicklung, da es dazu führen kann, dass wir uns gestresster fühlen und unsere Beziehung zu ihnen beeinträchtigt wird.3 Wenn wir abwägen, ob und wie lange Kinder vor Bildschirmen sitzen sollten, kann uns das unter Stress setzen. Manchmal kann dies auch zu Konflikten mit unseren Kindern über ihre Nutzung führen, was möglicherweise noch mehr Schuldgefühle auslöst.
Was können wir also tun, wenn wir ihre Bildschirme nicht einfach abschalten können?
Qualität statt Quantität könnte die Antwort sein.
Bildschirmzeit neu definiere: Qualität statt Quantität
Eine Möglichkeit, Bildschirme zu betrachten, besteht darin, sie nicht als „gut“ oder „schlecht“ oder als „Belohnung“ zu betrachten, sondern als einen Teil des Lebens, den wir angemessen nutzen und mit anderen Bereichen, wie z. B. körperlicher Aktivität, in Einklang bringen sollten.
Ein Ansatz hierfür könnte darin bestehen, darüber nachzudenken, wofür unsere Kinder Bildschirme verwenden, anstatt sich auf die Zeit zu konzentrieren, die sie damit verbringen. Mit anderen Worten: Es könnte um Qualität statt Quantität gehen. Während beispielsweise zu viel Zeit vor Bildschirmen negativ mit einem niedrigeren Sprachniveau von Kindern in Verbindung gebracht wurde, wurde eine qualitativ bessere Bildschirmnutzung – wie Bildungsprogramme und gemeinsames Anschauen mit erwachsenen Bezugspersonen – positiv mit den Sprachkenntnissen von Kindern in Verbindung gebracht.4
Ideen für eine „wertvolle“ Bildschirmzeit: von sozialen Medien bis hin zu Videospielen
Es gibt keinen einheitlichen Ansatz, wenn es um Kinder und die Bildschirmnutzung für soziale Medien, Videospiele, Apps oder Fernsehen geht. Ein Teenager hat möglicherweise andere Grenzen als ein Grundschulkind. Es gibt auch Umstände, unter denen Kinder, darunter auch jene mit Beeinträchtigung oder zusätzlichen Bedürfnissen, Bildschirme zur Selbstregulierung, aus sensorischen Gründen oder zur Kommunikation nutzen können, sodass für ihre Bildschirmnutzung möglicherweise ein anderer Ansatz erforderlich ist.5
Was könnte Ihrer Meinung nach in Ihrer Familie funktionieren?
In jedem Fall ist es wichtig und hilfreich, die Nutzung von Bildschirmmedien durch Ihr Kind im Blick zu behalten und – je nach Alter und Bedürfnissen der Kinder – Grenzen zu setzen, die zu ihrer Sicherheit beitragen und zu Ihrer Familie passen. Sie entscheiden, womit Sie sich wohlfühlen, aber um Ihnen den Einstieg zu erleichtern, finden Sie hier einige Ideen, die Sie ausprobieren können.
Tipps zur Bildschirmzeit für Kinder bis 5 Jahre
- Laut den meisten internationalen Gesundheitsrichtlinien empfehlen Experten, dass Kinder unter zwei Jahren keine Bildschirmgeräte verwenden sollten, in Deutschland gilt dies für Kinder unter drei Jahren. Diese Grenze schließt nicht unbedingt Videoanrufe ein. Wenn Kinder per Videoanruf mit Familie und Freunden sprechen können, ist dies eine sinnvolle Nutzung von Bildschirmen, da es eine schöne Möglichkeit ist, Verbindungen aufzubauen und zu pflegen.6
- Für Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren wird in der Regel nicht mehr das Lebensalter in Jahren mal zehn Minuten Bildschirmnutzung pro Tag empfohlen, d.h. für ein vierjähriges Kind z.B. 40 Minuten. Um diese Zeit optimal zu nutzen, sollten Sie pädagogische Programme und Spiele ausprobieren. Das Anschauen, Spielen und Sprechen über diese Spiele oder Programme mit Ihren Kindern kann auch eine gute Möglichkeit sein, die Beziehung und Bindung zu ihnen zu stärken.
- Auch das Vorleben einer positiven Bildschirmnutzung von klein auf kann einen Unterschied machen. Kinder nehmen auf, was wir tun, sogar als Babys. Sie bemerken unsere Gewohnheiten und wie viel Zeit wir vor einem Bildschirm verbringen. Eltern, die häufiger Bildschirme nutzen, haben tendenziell auch Kinder, die häufiger Bildschirme nutzen.7
Tipps zur Bildschirmnutzung für Kinder im Schulalter (6-16)
- Für Kinder unter zwölf Jahren wird in Deutschland empfohlen, die tägliche Bildschirmzeit auf weniger als eine Stunde zu begrenzen. Die meisten internationalen Richtlinien empfehlen für Schulkinder und Jugendliche, die Bildschirmzeit auf zwei Stunden pro Tag zu beschränken, wobei die für Schularbeiten benötigte Zeit in der Regel nicht berücksichtigt wird.7 Um diese Zeit zu einer „wertvolleren“ Zeit zu machen, versuchen Sie, Interesse zu zeigen und zu beobachten, was Ihre Kinder tun. Dies dient zum Teil auch der Sicherheit und ist eine Gelegenheit, mit Ihrem Kind in Kontakt zu treten. Wenn Eltern die Bildschirmnutzung überwachen, kann dies dazu führen, dass sie weniger Bildschirme nutzen und die unangemessene Nutzung reduziert wird.1 Dies könnte so aussehen, dass Sie nach den Videospielen fragen, die sie spielen, und diese vielleicht sogar mit ihnen spielen. Sie können auch überwachen, welche Apps sie herunterladen, und darauf achten, mit wem sie sprechen oder was sie online tun.
- Elternkontrollfunktionen nutzen: Das Risiko bei Bildschirmen liegt oft mehr darin, was Kinder auf ihnen tun oder sehen, als darin, wie lange sie sie benutzen – und manchmal müssen wir einschreiten, um dies zu kontrollieren. Schauen Sie sich an, welche Steuerelemente Sie für den Fernseher, Apps oder Spiele einstellen können. Überprüfen Sie regelmäßig, ob diese noch eingeschaltet sind, da Kinder oft herausfinden können, wie man sie ausschaltet.
- Schaffen Sie Grenzen. Zeitpläne und Beschränkungen für die Bildschirmnutzung sind für Kinder wichtig, da sie so die problematische Nutzung reduzieren und die Bildschirmzeit insgesamt senken können.1 Dies kann besonders in den Schulferien wichtig sein. Je nach Alter können Sie mit Ihrem Kind daran arbeiten, z. B. indem Sie ihm vor oder nach der Schule Zeit mit seinem Gerät einräumen. Denken Sie daran, dass nicht jede Bildschirmzeit gleich ist. Es gibt einen Unterschied zwischen Stunden, die man mit einem Videospiel verbringt, und Stunden, die man mit einem Freund online chattet, was beispielsweise für eine gute psychische Gesundheit hilfreich sein kann. Mit zunehmendem Alter der Kinder kann auch eine gewisse Flexibilität in Ordnung sein. Es kann für Ihre Kinder und für Sie sehr hilfreich sein, wenn Sie ihnen zeigen, wie man einen Bildschirmzeitplan einhält.
- Die Planung anderer Aktivitäten, die anstelle der Bildschirmnutzung durchgeführt werden können, kann ebenfalls dazu beitragen, dass Kinder länger von Bildschirmen ferngehalten werden, z. B. nach der Schule in den Park gehen oder sich für eine Sportart oder Aktivität anmelden.
- Führen Sie offene Gespräche: Die Risiken von Cybermobbing, Identitätsdiebstahl und anderen Online-Problemen sind real. Wenn wir jedoch eine starke, gesunde Verbindung zu unseren Kindern aufbauen, indem wir Interesse an dem zeigen, was sie zu sagen haben, können wir eine starke Bindung aufbauen. Wenn wir diese Bindung haben, sind wir besser in der Lage, sie zu unterstützen, wenn sie Hilfe benötigen oder online etwas schief geht.
- Cybermobbing kann besonders während der Schulzeit zu einem Problem werden. Da offene Gespräche wichtig sind, sprechen Sie mit Ihrem Kind über Online-Mobbing und lassen Sie es wissen, dass es keine Probleme bekommt, wenn es sich bei Bedenken an Sie wendet. Fördern Sie positive Beziehungen zu Gleichaltrigen und versuchen Sie, ihnen dabei zu helfen, diese zu pflegen.
Mit diesen Tipps haben Sie vielleicht ein paar mehr Optionen, die Sie in Betracht ziehen können, wenn es um Bildschirme geht, sodass nicht für alle Geräte einfach „Game Over“ sein muss. Ihren Kindern zu zeigen, wie sie einen Zeitplan für die Bildschirmnutzung einhalten können, kann für sie und für Sie sehr hilfreich sein!
Weitere Tipps zur Begleitung kompetenter und selbstsicherer Kinder finden Sie bei Triple P Online.
References
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